Hinweis zur Bankenabwicklung und Gläubigerbeteiligung (Bail-in)

Als Reaktion auf Erfahrungen in der Finanzkrise 2008 haben viele Staaten Regelungen erlassen, mit denen ausfallgefährdete Banken zukünftig ohne eine Beteiligung des Steuerzahlers geordnet abgewickelt werden können. Dies führt dazu, dass Anteilsinhaber und Gläubiger von Banken im Falle einer Abwicklung an deren Verlusten beteiligt werden können. Ziel ist es, die Abwicklung einer Bank ohne den Einsatz öffentlicher Mittel zu ermöglichen. 

Die Europäische Union hat dazu folgende Rechtsakte verabschiedet: 

  • die Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (Bank Recovery and Resolution Directive, „BRRD“) und 
  • die Verordnung zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds („SRM-Verordnung“). 

Die BRRD sieht unter anderem vor, dass jeder EU-Mitgliedstaat eine nationale Abwicklungsbehörde einrichtet, die bestimmte Rechte zur Abwicklung und Sanierung von Kreditinstituten hat. Diese Maßnahmen können sich nachteilig auf Anteilsinhaber und Gläubiger von Banken auswirken. 

Die BRRD wurde in Österreich durch das Bundesgesetz über die Sanierung und Abwicklung von Banken („BaSAG“) umgesetzt. Das BaSAG ist mit 01.01.2015 in Kraft getreten. 

Die genaue Ausgestaltung der Maßnahmen auf nationaler Ebene, die Abwicklungsbehörden treffen können, kann sich im Detail unterscheiden. Im Folgenden erläutern wir die möglichen Abwicklungs-maßnahmen am Beispiel Österreichs. Die Abwicklungsverfahren anderer, insbesondere auch nicht-europäischer Länder können auch abweichend und noch einschneidender ausgestaltet sein. 

Wann kann ich betroffen sein? 

Betroffen sein können Sie als Anteilsinhaber oder Gläubiger einer Bank, wenn Sie von der Bank ausgegebene Finanzinstrumente (z. B. Aktien, Anleihen oder Zertifikate) oder als Vertragspartner der Bank Forderungen gegen die Bank haben (z.B. ungedeckte Einlagen). 

Die Wertpapiere, die Sie als Kunde von Ihrer Bank im Depot verwahren lassen und die nicht von der depotführenden Bank emittiert wurden, sind nicht Gegenstand einer Abwicklungsmaßnahme gegen diese Bank. Im Fall der Abwicklung einer depotführenden Bank bleiben Ihre Eigentumsrechte an diesen Finanzinstrumenten im Depot davon unberührt. 

Wer ist die Abwicklungsbehörde? 

Um im Krisenfall eine geordnete Abwicklung zu ermöglichen, wurden Abwicklungsbehörden geschaffen. Die für die betroffene Bank zuständige Abwicklungsbehörde ist unter bestimmten Abwicklungsvoraussetzungen ermächtigt Abwicklungsmaßnahmen anzuordnen. 

Auf der europäischen Ebene ist das Single Resolution Board („SRB“, deutsch „Einheitlicher Abwicklungsausschuss“) als oberste Abwicklungsbehörde neu eingerichtet worden, die auch für die Abwicklung direkt von der EZB beaufsichtigter Banken zuständig ist. Als nationale Abwicklungsbehörde ist die Österreichische Finanzmarktaufsicht („FMA“) vorgesehen worden. Die FMA ist in Österreich überdies für die nicht durch die EZB beaufsichtigten Banken (sog. weniger bedeutende Banken) als Abwicklungsbehörde primär zuständig. 

Aus Vereinfachungsgründen wird nachfolgend nicht mehr zwischen SRB und FMA unterschieden. 

Wann kommt es zu einer Bankenabwicklung bzw. Gläubigerbeteiligung? 

Die Abwicklungsbehörde kann bestimmte Abwicklungsmaßnahmen anordnen, wenn folgende Abwicklungsvoraussetzungen vorliegen: 

  • Der Ausfall oder wahrscheinliche Ausfall der betroffenen Bank wurde durch die Abwicklungs-behörde festgestellt. Diese Einschätzung erfolgt nach gesetzlichen Vorgaben und liegt beispielsweise vor, wenn die Bank aufgrund von Verlusten nicht mehr die gesetzlichen Anforderungen an die Zulassung als Kreditinstitut erfüllt (z. B. die gesetzlich geforderten Mindesteigenmittelquoten nicht einhält). 
  • Es besteht keine Aussicht, den Ausfall der Bank durch alternative Maßnahmen des privaten Sektors oder sonstige Maßnahmen der Aufsichtsbehörden abzuwenden
  • Die Maßnahme ist im öffentlichen Interesse erforderlich, d. h. notwendig und verhältnismäßig, und eine Liquidation in einem regulären Insolvenzverfahren ist keine gleichwertige Alternative. 

Welche Maßnahmen kann die Abwicklungsbehörde ergreifen? 

Liegen alle Abwicklungsvoraussetzungen vor, kann die Abwicklungsbehörde – bereits vor einer Insolvenz – umfangreiche Abwicklungsmaßnahmen ergreifen, die sich auf Anteilseigner und Gläubiger der Bank nachteilig auswirken können: 

  • Das Instrument des sog. Bail-in (auch als sog. Gläubigerbeteiligung bezeichnet): Die Abwicklungsbehörde kann Finanzinstrumente und übrige berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten der Bank entweder teilweise oder vollständig herabschreiben oder in Eigenkapital (Aktien) umwandeln, um die Bank auf diese Weise zu stabilisieren. 
  • Das Instrument der Unternehmensveräußerung: Dabei werden Anteile, Vermögenswerte, Rechte oder Verbindlichkeiten der abzuwickelnden Bank ganz oder teilweise auf einen bestimmten Erwerber, bei dem es sich nicht um ein Brückeninstitut handelt, übertragen. Soweit Anteilseigner und Gläubiger von der Unternehmensveräußerung betroffen sind, steht ihnen ein anderes bereits bestehendes Institut gegenüber. 
  • Das Instrument des Brückeninstituts: Die Abwicklungsbehörde kann Anteile an der Bank oder einen Teil oder die Gesamtheit des Vermögens der Bank einschließlich ihrer Verbindlichkeiten auf ein sog. Brückeninstitut übertragen. Dies kann die Fähigkeit der Bank beeinträchtigen, ihren Zahlungs- und Lieferverpflichtungen gegenüber den Gläubigern nachzukommen, sowie den Wert der Anteile an der Bank reduzieren. 
  • Das Instrument der Ausgliederung von Vermögenswerten: Dabei werden Vermögenswerte, Rechte oder Verbindlichkeiten auf eine oder mehrere für die Vermögensverwaltung errichtete Zweckgesellschaften (Abbaueinheit) übertragen. Hierdurch sollen die Vermögenswerte mit dem Ziel verwaltet werden, ihren Wert bis zur späteren Veräußerung oder Liquidation zu maximieren. Ähnlich dem Instrument der Unternehmensveräußerung steht einem Gläubiger nach Übertragung ein neuer Schuldner gegenüber. Dieses Instrument kann nur gemeinsam mit einem anderen Abwicklungsinstrument angewandt werden.

Die Abwicklungsbehörde kann durch eine behördliche Anordnung die Bedingungen der von der Bank herausausgegebenen Finanzinstrumente sowie der gegen sie bestehenden Forderungen anpassen, z.B. kann der Fälligkeitszeitpunkt oder der Zinssatz zu Lasten des Gläubigers geändert werden. Ferner können Zahlungs- und Lieferverpflichtungen modifiziert, u.a. vorübergehend ausgesetzt werden. Auch können Kündigungs- und andere Gestaltungsrechte einer Vertragspartei vorübergehend ausgesetzt werden. Auch kann die Durchsetzung von Sicherungsrechten abgesicherter Gläubiger ausgesetzt werden. 

Wann bin ich als Gläubiger von einem Bail-in betroffen?

Ob Sie als Gläubiger von der Abwicklungsmaßnahme des Bail-in betroffen sind, hängt von der Reichweite der angeordneten Maßnahme und davon ab, in welche Klasse Ihr Finanzinstrument oder Ihre Forderung einzuordnen ist. 

Im Rahmen eines Bail-in werden Finanzinstrumente und Forderungen in verschiedene Klassen eingeteilt und nach einer gesetzlichen Rangfolge zur Haftung herangezogen (sog. Verlusttragungskaskade oder Haftungskaskade). 

Für die Betroffenheit der Anteilsinhaber und Gläubiger der jeweiligen Klassen gelten folgende Prinzipien: Erst wenn eine Klasse von Verbindlichkeiten komplett herangezogen wurde und dies nicht genügt, um Verluste ausreichend zur Stabilisierung der Bank zu kompensieren, kann die in der Verlusttragungskaskade folgende Klasse von Verbindlichkeiten herabgeschrieben oder umgewandelt werden. 

Bestimmte Arten von Finanzinstrumenten und Forderungen sind vom Bail-in-Instrument gesetzlich ausgenommen. Dies sind beispielsweise durch das gesetzliche Einlagensicherungssystem gedeckte Einlagen bis 100.000,- EUR pro Einleger und durch Vermögenswerte besicherte Verbindlichkeiten (z. B. fundierte Schuldverschreibungen, Pfandbriefe). 

Verbindlichkeiten, auf welche der Bail-in angewendet wird, werden auch als berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten bezeichnet. 

In der Verlusttragungskaskade einer in Österreich ansässigen Bank sind folgende Klassen zu unterscheiden: 

  1. Zunächst betreffen die Abwicklungsmaßnahmen das harte Kernkapital und somit die Anteilsinhaber der Bank (z. B. Inhaber von Aktien). 
  2. Danach werden die Gläubiger des zusätzlichen Kernkapitals in Anspruch genommen (z. B. Inhaber von Additional Tier1-Emissionen). 
  3. Hierauf folgt die Heranziehung des Ergänzungskapitals. Dies betrifft Gläubiger nachrangiger Verbindlichkeiten (z. B. Inhaber von Ergänzungskapitalanleihen). 
  4. In der Verlusttragungskaskade schließen sich die unbesicherten nachrangigen Verbindlichkeiten an, die nicht die Anforderungen an das zusätzliche Kernkapital oder das Ergänzungskapital erfüllen. 
  5. Daran anschließend folgen unbesicherte „nicht bevorrechtigte“ nicht-nachrangige Schuldtitel (sog. "Non-Preferred Senior Notes“), auf deren niedrigeren Rang in den Emissionsbedingungen explizit hingewiesen worden ist.
  6. Sodann folgen in der Verlusttragungskaskade die übrigen berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten (z. B. gewöhnliche Senior-Anleihen, ungedeckte Einlagen von Großunternehmen). 
  7. Nicht gedeckte Einlagen über 100.000,- EUR von Privatpersonen sowie von kleinen und mittleren Unternehmen haben eine bevorzugte Stellung und sind erst ganz zum Schluss vom „Bail-in“ betroffen. 

Vom Bail-in-Verfahren ausgenommen sind insbesondere: 

  • Durch die Einlagensicherung gesicherte Einlagen bis zu 100.000,- EUR (z. B. Spareinlagen, Kontenguthaben, Fest- und Termingelder) 
  • Fundierte Bankschuldverschreibungen, Pfandbriefe (sogenannte Covered Bonds) 
  • Verbindlichkeiten aus der Verwaltung von Kundenvermögen oder Treuhandverwaltung (z. B. der Inhalt von Bankschließfächern, in einem Wertpapierdepot verwahrte und verwaltete Wertpapiere oder Fonds, auf die Absonderungs- oder Aussonderungsrechte anwendbar sind) 

Welche Folgen können die Abwicklungsmaßnahmen für mich als Gläubiger haben? 

Wenn die Abwicklungsbehörde eine Maßnahme nach diesen Regeln anordnet oder ergreift, darf der Gläubiger allein aufgrund dieser Maßnahme die Finanzinstrumente und Forderungen nicht kündigen oder sonstige vertragliche Rechte geltend machen. Dies gilt, solange die Bank ihre Hauptleistungspflichten aus den Bedingungen der Finanzinstrumente und Forderungen, einschließlich Zahlungs- und Leistungspflichten, erfüllt. 

Wenn die Abwicklungsbehörde die beschriebenen Maßnahmen trifft, ist ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals der Anteilsinhaber und Gläubiger möglich. Anteilsinhaber und Gläubiger von Finanzinstrumenten und Forderungen können damit den für den Erwerb der Finanzinstrumente und Forderungen aufgewendeten Kaufpreis zuzüglich sonstiger mit dem Kauf verbundener Kosten vollständig verlieren. 

Bei einer Bankenabwicklung sollen Anteilseigner und Gläubiger nicht schlechter gestellt werden als in einem normalen Insolvenzverfahren der Bank. 

Führt die Abwicklungsmaßnahme dennoch dazu, dass ein Anteilsinhaber oder Gläubiger schlechter gestellt ist, als dies in einem regulären Insolvenzverfahren gegenüber der Bank der Fall gewesen wäre, führt dies zu einem Ausgleichsanspruch des Anteilsinhabers oder Gläubigers gegen den zu Abwicklungszwecken eingerichteten Fonds (Restrukturierungsfonds bzw. Single Resolution Fund, „SRF“). Sollte sich ein Ausgleichsanspruch gegen den SRF ergeben, besteht das Risiko, dass hieraus resultierende Zahlungen wesentlich später erfolgen, als dies bei ordnungsgemäßer Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch die Bank der Fall gewesen wäre. 

Im Zusammenhang mit Abwicklungs- und Sanierungsmaßnahmen besonders hervorzuhebende Risiken sind insbesondere: 

Liquiditätsrisiko: Bereits die bloße Möglichkeit, dass Abwicklungsmaßnahmen angeordnet werden können, kann den Verkauf eines Finanzinstruments oder einer Forderung auf dem Sekundärmarkt erschweren. Es besteht daher das Risiko, dass Anleger die betroffenen Finanzinstrumente oder andere Wertpapiere der betroffenen Bank nur zu einem deutlich niedrigeren Preis oder gar nicht verkaufen können. 

Kontrahentenrisiko: Die Abwicklungsbehörde ist befugt, Eigenschaften der von einem Bail in-Verfahren betroffenen Finanzinstrumente zu ändern. So können z. B. Fälligkeitszeitpunkte geändert oder Zins-zahlungen aufgeschoben werden. Für Anleger besteht daher das Risiko, zu einem späteren als dem vereinbarten Zeitpunkt Zahlungen zu erhalten, sowie das Risiko, wesentlich geringere Zahlungen oder gar keine Zahlungen mehr, bis hin zum Totalverlust, zu erhalten. 

Klumpenrisiko/Konzentrationsrisiko: Je mehr Finanzinstrumente der Anleger von einer Bank hält und je weniger er seine Anlage streut, desto höher wird das Verlustrisiko betreffend die Finanzinstrumente der vom Bail-in betroffenen Bank, bis hin zum Totalverlust. 

Wo kann ich mich noch informieren? 

Die Österreichische Finanzmarktaufsicht („FMA“) hat Informationen zu den in Österreich geltenden Sanierungs- und Abwicklungsregeln auf ihrer Homepage zur Verfügung gestellt.